Letizia

Short Story - Vermeintliches Glück

Vorab: Die Geschichte ist nicht auf mein Leben bezogen.

Viele reden immer vom Sommer ihres Lebens, vom besten Tag ihres Lebens, von der besten Zeit ihres Lebens. Aber was soll man davon halten, wenn man alles relativ gefühlskalt sieht? Was soll man machen, wenn man davon einfach nichts hält? Ein Tag ist einfach nur ein Zeitraum von vorgegebener Länge. Viele wünschen sich einen Tag nie enden zu lassen. Warum machen sie das dann nicht einfach? Das System lässt es nicht zu. Aber ohne System entsteht Chaos und das ist eigentlich nur noch schlimmer.

Bei mir zumindest war der schönste Tag meines Lebens auch gleichzeitig der Schlimmste. Dale hatte mich gefragt, ob wir am Wochenende was unternehmen können. Soweit nichts Schlimmes, nichts Ungewöhnliches. Ich war mit Dale gut befreundet, aber ich stellte mir immer vor, wie es wäre, seine Freundin zu sein. Eigentlich wollte ich das gar nicht sein, geschweige denn werden. Es kam für mich gar nicht in Frage und seit meinem letzten Freund wollte ich erstmal eine Weile, vielleicht auch ein paar Jahre solo bleiben. Ich fand es unnötig, solch großen Wind um die Liebe zu machen. Liebe ist ja nur für den Moment und nichts standhaftes. Ich sagte Dale also zu.

Samstag morgen stand ich dann vor meinem Kleiderschrank. Ich hatte die Wahl zwischen grauen oder schwarzen Tops, Hemden und ein paar Band-Shirts. Ich holte einfach irgendwas raus und machte mich schnell fertig. Ich fuhr mit der U-Bahn in die Stadt und wartete dort auf Dale. Eigentlich war er noch nie zu spät gekommen, aber an jenem Tag war ja eh alles anders.

Aber dann kam er irgendwann doch noch. Aber er sah auch anders aus. Er trug ein Hemd. Zugegeben, ich mochte Hemden, aber Dale trug sonst immer nur T-Shirts. Ich wollte das Offensichtliche aber nicht wahr haben, obwohl ich die altbekannten ‚Schmetterlinge im Bauch‘ hatte.

Dale umarmte mich wie immer, wenigstens etwas, das sich nicht veränder hatte. Nachdem wir wie immer ein wenig Smalltalk geführt hatten, sprach ich ihn auf die Veränderungen an. Er gestand mir seine Liebe. Ich wusste nicht, was ich denken sollte, aber ich willigte ein, eine Beziehung mit ihm zu beginnen. Daraufhin küsste er mich natürlich. Ich hatte ein ungewohntes Gefühl, vermeintlich war es Glück, aber es fühlte sich nicht gut an. Ich wollte kein Glück. Ich wollte keine Veränderung. Ich wollte keine Beziehung. Mochte ja sein, dass ich Dale liebte, aber… es fühlte sich falsch an. Total falsch. Dale fragte mich an dem Tag öfters, was los war, aber ich meinte immer nur, dass ich es noch gar nicht wirklich realisieren konnte. Ich hätte wahrscheinlich über mich selbst gelacht, aber ich lachte nie. Genauso wenig weinte ich. Ich wusste nicht, wann ich damit aufgehört hatte, aber ich fühlte mich auch ohne Lachen wohl. Ob das Dale schon mal aufgefallen war, dass ich nicht lachte? Und wenn schon, ich war alleine eh besser dran, denn niemand konnte meinen Gefühlsgang verstehen.

Die Wochen vergingen und Dale versuchte alles Mögliche, um mich glücklich zu machen. Obwohl ich ja schon glücklich war. Aber ich mochte das Glück nicht, es quälte mich eher. Aber Dale verstand das natürlich nicht, wenn ich es ihm sagte. In meinem Leben hatte sich alles verändert. Meine Eltern, meine Schwester und meine Freunde erwarteten Fröhlichkeit von mir. Sie verstanden mich auch nicht. Sie wussten nicht, warum ich eher depressiv war und sie machten sich Sorgen, dass ich irgendetwas zu verheimlichen hätte. Was ein Quatsch. Ich konnte auch nicht mehr für mich sein, denn wenn ich gerade nichts mit Freunden oder meiner Familie machte, wollte Dale mit mir telefonieren, simsen, skypen oder mich treffen. Meine Privatsphäre war gestorben. Natürlich hätte ich auch Schluss machen können, aber ich liebte Dale ja, auch wenn ich die Liebe hasste. Ich spielte immer mehr mit dem Gedanken, mich umzubringen, denn was hatte ich schon davon, weiterzuleben? Alle Gefühle, die anderen gut taten, taten mir lediglich weh. Ich verstand ja selbst nicht, was bei mir schief gelaufen war, aber so konnte das nicht weitergehen.

Am folgenden Tag verabredete ich mich mit Dale. Das war das erste Mal, dass ich ihn fragte und nicht er mich. Bevor ich mich mit ihm traf, spielte ich mein Lieblingslied auf dem Klavier. Nur wenn ich dieses Lied spielte, empfand ich keine Schmerzen. Es beruhigte mich. Danach machte ich mich auf den Weg in die Stadt. Dale kam wieder zu spät und als endlich kam, hatte er kein Hemd an, sondern nur ein T-Shirt. Die Haare hatte er auch wieder anders. Wir küssten uns wie gewohnt zur Begrüßung und führten danach ein bisschen Smalltalk. Dann fragte ich ihn nach den Veränderungen und er machte Schluss mit mir. Ich empfand dabei nichts und wir trennten uns in Frieden.

Aber nach ungefähr einer Woche, bedrängte mich Dale und er wollte wieder mit mir zusammen sein. Ich willigte ein und alles ging wieder von vorne los. Ich bat ihn irgendwann nach einem Treffen an den Bahngleisen. Ich hatte meinen iPod dabei und hörte mein Lieblingslied in Dauerschleife. Als er auch ankam, stellte ich mich auf die Bahngleise. Er schrie mich an, was zur Hölle ich machen würde und fragte mich, warum. Er wollte mich herunterzerren, doch ich heilt stand.

Bevor der Zug kam, sagte ich zu Dale: „Du wirst das sicher nicht verstehen. Aber ich liebe dich und das ist mein Verhängnis. Du quälst mich, Dale. Ich empfinde nur noch Schmerzen. Das ist falsch. Ich bin glücklich, das musst du mir glauben, aber das Glück ist ein schreckliches Gefühl. Es tut weh, aber nun ist es vorbei.“

Mit meinem ersten Lächeln im Gesicht, starb ich.


geschrieben in am 31. Dezember um 08:08

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